Unsere Gewänder sind Maßanfertigungen hiesiger Schneider(innen). Von Kreisheimatpfleger Matthias Schieber und dem Neuburger Schneidermeister Wolfgang Hoffmann nach Vorlagen von Landsknechts-, Herolds- und Feldtrompetergewändern aus dem ersten Drittel des 16. Jahrhunderts erdacht, entwickelten sich unsere bunten Trachten zu einem Markenzeichen unter den Fanfarenzügen Deutschlands. Uniformen gab es damals (so gut wie) nicht. In Schnitt und Gestaltung sollte der Fanfarenzug ursprünglich nur einen einzelnen Modestil der Renaissance verkörpern. Erst im Verbund mit den andersgestalteten Kleidungen der übrigen Neuburger Schloßfestgruppen soll sich dem Publikum ein Gesamtbild der damals getragenen Bekleidung erschließen. Dadurch erreichten die Verantwortlichen sowohl die modische Vielfalt der Epoche für das Fest als auch einen verlässlichen Wiedererkennungswert für die einzelnen Gruppen.
In der Anfangszeit (1977-1982) trat der Fanfarenzug Ottheinrich – ganz im Stil des ausgehenden Mittelalters und der beginnenden Renaissance – im bunten Leinenwams mit weit gebänderten, den Blick auf das Unterhemd freigebenden Armteilen und beigen Strumpfhosen vor das Publikum.
1982 veränderte sich das Erscheinungsbild ganz wesentlich. Hintergrund war schlicht und einfach die Weigerung vieler Mitglieder, weiterhin in hautengen Strumpfhosen herum zu laufen. So kamen wir zu Kniehosen mit unterfütterten Schlitzen, ebenfalls entstanden nach Mustern aus der ersten Hälfte des 16. Jh. Fortan bedeckten Strümpfe, die dann später noch verschiedenfarbig eingeführt wurden, die Unterschenkel. Nur unsere Fahnenschwinger behielten eine Zeit lang (vereinzelt) noch schwarze Strumpfhosen bei. Das Erscheinungsbild der „Fähnriche“ ist bis heute in den heraldischen Farben der Wittelsbacher (gold/schwarz), mit kleineren Applikationen in den Neuburger Stadtfarben (weiß/blau/rot), gehalten und verleiht ihnen, als „Schwarze Gang“, optisch wiederrum eine Sonderstellung.
Über die Jahre zeigte sich, dass die weit gebänderten Ärmel doch unpraktische und kostenintensive „Nebenwirkungen“ hatten. Der Fanfarenzug war zwischenzeitlich stark angewachsen und die Zahl der Reparaturen abgerissener Ärmelbänder nahm unvertretbare Ausmaße an. Jede Türklinke, jedes Geländer, jede hervorstehende Kante war eine potentielle Gefahrenquelle. So kam es zum zweiten wesentlichen Wechsel: Die Bänder verschwanden nach und nach und wurden einheitlich, durch historisch nachweisbare, farbig unterfütterte Schlitze im Oberarmbereich ersetzt. Trotz aller Einsicht und Verständnis für diese Maßnahme, trauern doch viele „Altgediente“ den Bändern aus rein ästhetischen Gründen bis heute nach. Obgleich die unter dem Wams getragenen Hemden heute meist nur noch im Ausschnitt und an den Ärmeln zu sehen sind und kaum mehr durch Schlitze schimmern, sind sie doch geschätztes und vorgeschriebenes Gewandstück geblieben. Anders als viele andere Gruppen können wir nämlich unser Wams ausziehen und bleiben trotzdem im historischen Bild.
Faktoren wie Strapazier- und Abriebfestigkeit, Regen- und UV-Verträglichkeit, Farbechtheit, Tragekomfort und Pflege schlossen über die Jahre viele der der Renaissance zuzuordnende Stoffarten nach und nach aus. Fanfarenzuggewand ist Handarbeit, wertvoll also, kostet richtig Geld. Damit ist der Anspruch einer langen Haltbarkeit UND eines möglichst hohen Tragekomforts nur legitim. Daher entschied man sich ab den ausgehenden 80er Jahren die Gewänder ausschließlich aus Baumwollsamt zu fertigen. Passend zum Bild des den Offizieren gleichgestellten, teilweise geadelten, fein gekleideten Feldtrompeters. Um den angestrebten Wiedererkennungswert zu bewahren, nahm man die Trommler modisch gleich mit. Ein erneuter Versuch Lodenstoffe zu etablieren, wurde 2019, nach einer Serie im Echtbetrieb getesteter Gewänder, wieder aufgegeben. Zu schwer, zu warm, zu formunbeständig und, im Vergleich zum bewährten Baumwollsamt, zu…alles.
Die Gewandentwicklung im Fanfarenzug „Ottheinrich“ ist eine spannende Reise. Nach einer gewissen gestalterischen Stagnationsphase bemühen wir uns seit etwa 2007 wieder um größere Detailgetreue, Vielfalt und Abwechslung. Mi-Parti (vertikale Teilung der Gewänder in Bezug auf Farbe und Form), Bänderungen, Schlitze, Flammen, Streifen, unterschiedliche Nähtechniken und Applikationen sind große Themen. Die Beschäftigung mit historischen Gegebenheiten und der daraus resultierende Wille zur weitgehenden Authentizität kollidieren dabei aber immer wieder mit den vorgenannten Anforderungen und – ganz erheblich in den Auswirkungen – mit dem modernen Farbempfinden, welches in der Tat, überhaupt nichts mit dem der Renaissance gemein hat. Bestimmte Farbkombinationen gelten als „unpassend“, mit anderen werden z. B. sofort Nationalstaaten assoziiert. Oder was würden sie denken, wenn ein Gewand vorrangig grün, weiß, rot oder schwarz, rot und gelb wäre?
Wie genau lässt sich Vergangenheit über Jahrhunderte nachempfinden? Vor allem da heute die meisten Mittelalter und Renaissance epochal ohnehin nicht zu trennen vermögen. Mit Ruß beschmierte, fellbehangene Barbaren im Lendenschurz, Piraten, Magier und zahn- und waffenstarrende Fantasiewesen wie aus Hollywood-Filmen, sogenannte „Veranstaltungswolpertinger“, sind garantiert auch nicht der Weisheit letzter Schluss. Dass es durchaus auch anders geht, zeigen immer mehr Anhänger der Reenactment-Szene, die mit erheblichem zeitlichem und finanziellem Aufwand über ihre Ausstattung und Gewandung Geschichte tatsächlich wiedererlebbar machen. Viele dieser Gruppen sieht man auf entsprechenden Festen allerdings sofort in Deckung springen, sobald ein Tropfen vom Himmel fällt. Natürlich, gerade die teuren Renaissance-Stoffe vertragen Wasser nicht wirklich gut. Das können wir uns aber nicht leisten. Wir spielen, sofern es nicht aus Kübeln schüttet, auch bei schlechtem Wetter. Wird ein Gewand nass, muss es schnell wieder trocknen und darf dabei nicht ausfärben. Was helfen denn einer vereinsmäßig organisierten Musikgruppe Stoffe und Gewänder die nicht alltagstauglich sind oder so aufwändig, dass sie lediglich als Privateigentum erhalt- und finanzierbar und nur zum Vorzeigen geeignet sind? Wir brauchen Gewänder die 365 Tage im Jahr, bei jeder Witterung und in jedem Klima funktionieren, pflegeleicht, strapazierfähig, möglichst individuell und dennoch mit hohem Wiedererkennungswert gestaltet und finanzierbar sind. Außerdem sollten sie dem heutigen ästhetischen Empfinden nicht vollends zu wider laufen. Das geht nicht ohne Zugeständnisse bzw. Abstriche bei der historischen Authentizität. So ehrlich muss man sein. Es gibt halt einen Unterschied zwischen „historisch“ und „authentisch“ und auch wenn der bei uns vielleicht relativ klein ist, kann man ihn nicht weg reden. Trotzdem sind wir, im Vergleich, so finden wir, immer noch verdammt gut dabei.
Es darf noch mit einem kleinen Augenzwinkern angemerkt werden, dass wir die „authentische“ Darstellung eines Militärmusikers aus der Mitte des 16.Jahrhunderts schon allein aus hygienischen Gründen nicht anstreben. Noch dazu wäre unser Fanfarenzug dann extrem klein, so ganz ohne Frauen.
Heute arbeiten drei Schneiderinnen, eine Hutmacherin, ein Schuhmacher und eine Sattlerin an den Gewändern des Fanfarenzuges Ottheinrich. Es steckt viel Zeit, Energie, Arbeit und Erfahrung darin. Wir sind Stolz auf unsere Gewänder, stolz auf unser Erscheinungsbild. Zeigt es doch jedem auf den ersten Blick: Da kommt der Fanfarenzug Ottheinrich! Da kommen die Neuburger!“